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Begegnung im Quartier – paul@nachberegruppe- Obstberg

Und weiter geht die Entdeckungsreise. Eva und ich haben Heini Gysel, den Präsidenten der Nachberegruppe Obstberg, in seinem Quartier besucht.

Wir treffen Heini Gysel vor dem Obstberg Beck – eine Institution im Quartier, wie auch die gegenüberliegende Brasserie Obstberg. Bevor wir unser Gespräch beginnen, spazieren wir, von Heini geführt, zum Elternhaus Paul Klees am Obstbergweg 6. Es ist ein imposantes Backsteinhaus, das zu den ältesten in diesem historischen Quartier gehört. An einem Fensterrahmen im oberen Stockwerk hat sich Paul Klee mit Zeichnungen verewigt. Wir haben beide schon mehrfach von diesen Zeichnungen gehört, sie aber in echt zu sehen, ist doch etwas Besonderes.

Für unser Gespräch lädt Heini uns in sein nur einen Katzensprung entferntes Zuhause ein. Diese Offenheit und der folgende persönliche Austausch spiegeln sich auch in den Aktivitäten der Nachberegruppe Obstberg, der er als Präsident vorsteht.

«Das Bedürfnis nach Kontakt mit anderen Menschen, nach Gesprächen und Austausch scheint ein Grundbedürfnis zu sein. Deshalb ist es das Hauptanliegen der Nachberegruppe Obstberg, Nähe zu schaffen.»

Heini Gysel, Nachberegruppe Obstberg

Heini hat sich für uns die Zeit genommen, in alten Protokollen der Geschichte des Vereins auf die Spur zu kommen. Der Verein, sagt er, sei aus dem Bedürfnis heraus entstanden, mehr Nähe zwischen den Nachbarn zu schaffen. So habe der Journalist Walter Däpp, der übrigens heute noch im Quartier wohnt, 1978 oder 1979 – das weiss man nicht so genau – an einer Sendung zum Thema Nachbarschaft gearbeitet. Kurzerhand lud er einen Nachbar, mit dem er vorher keinen Kontakt hatte, zu sich nach Hause ein. Die beiden beschlossen im Anschluss, alle Quartierbewohner einzuladen, die von ihren Häusern Sicht auf den gemeinsamen Garten hatten. Dieses Treffen, so Heini, könne eigentlich als das erste informelle Nachbere-Fescht bezeichnet werden. Knapp drei Jahre später ist daraus der Verein Nachberegruppe Obstberg entstanden.

Wenn man die Nachberegruppe Obstberg und ihre Aktivitäten heute sieht, ist schwer vorstellbar, dass sie sich 2006 beinahe aufgelöst hätte. Dass sich damals in letzter Minute doch noch Vorstandsmitglieder mit grossem Durchhaltewillen fanden, prägt die Nachberegruppe bis heute. Nebst dem bereits bestehenden Nachbere-Fescht und den Adventsfenstern wurde ein Kulturprogramm initiiert, welches mittlerweile das ganze Jahr abdeckt. Von Schneeschuh-Touren über Führungen durchs Quartier (zu Architektur, Geschichte oder zu Bäumen und Sträuchern) bis hin zu Volksmusik-Konzerten ist für jede und jeden etwas dabei. Einzige Bedingung bei den Angeboten ist, dass sie entweder etwas mit dem Obstberg zu tun haben, oder von Quartierbewohner*innen realisiert werden. «Öppis über en Obstbärg oder öppis vom Obstbärg», lautet die Devise. Das sei zwar eine Einschränkung, dem Quartiergedanken aber komme es nur zugute. Und: An Ideen und interessanten, motivierten Menschen mangelt es dem Quartier nicht im Geringsten.

Kunterbunt durchmischt trifft sich die Quartiergemeinschaft jeweils am Nachbere-Fescht. Im letzten Jahr haben um die 400 Obstbergler*innen daran teilgenommen, und es werden jedes Jahr mehr. Seit etwa zwei Jahren werden bewusst auch mehr Aktivitäten für Kinder angeboten, denn im Quartier findet ein Generationenwechsel statt: Die Enkel mit kleinen Kindern übernehmen langsam die Häuser ihrer Grosseltern. Seit Ende 2018 gibt es zudem eine Nachbarschaftshilfe für alle, die etwas brauchen, oder etwas anzubieten haben. Aus dieser Gruppe sind unter anderem der Quartiermittagstisch, das Jasstreffen im Träffer und ein Nähatelier entstanden. Die verschiedenen Veranstaltungen bieten viele Begegnungsmöglichkeiten. Eine einzelne spezielle Begegnung, sagt Heini, gebe es für ihn jedoch nicht. Vielmehr seien es alle Begegnungen zusammen, welche für ihn das Quartier und die Nachberegruppe ausmachten. Er erinnert sich an die Offenheit der Menschen, als er ins Obstberg-Quartier gezogen ist. Damals arbeitete er noch als Gymnasiallehrer in Thun und hatte wegen des Pendelns nicht viel Zeit. Die Nachberegruppe habe ihm sehr geholfen, den Einstieg ins Quartier zu finden. Das so entstandene Netzwerk hat sich im Laufe der Jahre immer mehr verdichtet. Wenn er im Quartier unterwegs sei, treffe er immer wieder Menschen, mit denen er «gsprächle» und sich austauschen könne. Ein schönes Gefühl.

Das Bedürfnis nach Kontakt mit anderen Menschen, nach Gesprächen und Austausch scheine ihm ein Grundbedürfnis, sagt Heini. Besonders in der städtischen Anonymität schätzten die Menschen Verbindlichkeit und Nähe umso mehr, und das über die Generationsgrenzen hinweg. Der Nachberegruppe Obstberg kommt hier die überschaubare Grösse und Abgeschlossenheit des Quartiers zugute: Man kennt und grüsst sich, hält auch mal einen Schwatz auf der Strasse. Um die 260 Haushalte sind Mitglied der Nachberegruppe, die in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Die sechs Vorstandsmitglieder wohnen alle im Herzen des Obstbergs. Viele Mitglieder wohnen auch oberhalb der Laubeggstrasse, bevor das Schönberg-Ost-Quartier beginnt. Die beiden Quartiervereinigungen, Nachberegruppe Obstberg und Interessengemeinschaft Schönberg-Ost, konkurrenzieren sich jedoch keinesfalls, sie ergänzen sich vielmehr. Er finde es schön und wichtig, dass man einander positiv begleite, sagt Heini. Eine verstärkte Zusammenarbeit hält er aber nicht für nötig, weil so das Lokale und die Überschaubarkeit verloren gehen, und dadurch auch ein Teil der Nähe und des Persönlichen. Den Mikrokosmos darf und soll es auch in der Stadt geben – umso schöner, dass so viele verschiedene Projekte stattfinden. Und wenn übergreifende Ideen da sind, kann man dafür jederzeit zusammenarbeiten.

Die Nachberegruppe Obstberg begrüsst das Community Building Projekt des Zentrum Paul Klee. Das ist auch in ihrer tatkräftigen Unterstützung unseres Laternenfests zum Ausdruck gekommen. Er verstehe gut, dass sich die Institution wünsche, in den umliegenden Quartieren stärker verankert zu sein, sagt Heini. Sie sei wie ein Baum mit grosser, international austreibender Krone, der seine Wurzeln aber noch stärken müsse. Er selber finde es einen spannenden Ort und besuche eigentlich jede Ausstellung.


Weiter zum Verein am See

Heini schickt uns – aus aktuellem Anlass – weiter zum Verein am See. Der Verein bewirtschaftet während der Zwischennutzung das Areal des alten Entsorgungshofs am Egelsee.

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