paul&fabienne – Begegnung mit unserer Kunst-Community
Momentan verbringe ich viel Zeit damit, Ordnung in meine Projekte zu bringen, Übersicht zu gewinnen. Das sollte gerade mir nicht sonderlich schwerfallen, sollte man meinen, jedenfalls in Anbetracht der Tatsache, dass ich mich gerne und intensiv der Sortierung von Lebensmitteln und anderen Kleinstgegenständen widme. Leider sind jedoch meine Talente in Ordnunsgbelangen sehr auf partielles Sortieren beschränkt und lassen sich nicht auf erstrebenswerte Übersicht im Grossen Ganzen übertragen. Im Grossen und Ganzen nämlich, verliere ich mich gerne in Details, wie Spiegelungen in Wassertropfen und Struktursuchen in Pfützen, deswegen habe ich heute wieder Krautstiele sortiert. Kapitel meines angefangenen Romans, Bilder vergangener Sortageprojekte und eine angefangene Engelscherbenquadratur warten derweil weiter auf ihre Einordnung in Raum und Zeit. Dieser Problematik mag auch so eine dahergeaerosolte Pandemie samt ihren mitgebrachten Begegnungseinschränkungen nichts anzuhaben. Begegnungen spielen in meinem künstlerischen Schaffen ohnehin eine vorwiegend indirekte Rolle. Fürs Schreiben liefern sie wohl Charaktere und direkte Begegnung bietet, mehr noch als digitale, Material zur schriftlichen Sezierung menschlicher Interaktion, die mir gleichzeitig auch Weg ist, mich mit Zwischenmenschlichkeit auseinanderzusetzen und sie zu begreifen. So scheinen Begegnungen eher Grund zu sein, dass ich schreibe und das Schreiben nicht zwingend Mittel zur Begegnung. Ähnlich verhält es sich mit Sortagen, Detailaufnahmen und Quadraturen. Ich handle weniger um zu interagieren, als um mich nach vergangenen Interaktionen zu regenerieren. So sortiere, quadratiere und detailliere ich zur Entspannung, die ich hauptsächlich dann nötig habe, wenn ich über einen bestimmten Zeitraum interagieren musste. Als Sozialskeptikerin und passionierte Ditsanzaufrechterhalterin mit mysophoben Zügen hat mich die Pandemie also weniger eingeschränkt, als dass sie die Dringlichkeit eines Ventils in Form von Kunstschaffen abgeschwächt hat.
«Als Sozialskeptikerin und passionierte Ditsanzaufrechterhalterin mit mysophoben Zügen hat mich die Pandemie also weniger eingeschränkt, als dass sie die Dringlichkeit eines Ventils in Form von Kunstschaffen abgeschwächt hat.»
Die grosse einzige Ausnahme ist der Sortagekurs im Creaviva des Zentrum Paul Klee, der aufgrund der Coronakrise nicht durchgeführt werden konnte. Auch wenn die Tage vor den Kursen jeweils von nicht unerheblichem Präkursstress, kleinen aufregungsbedingten Hyperventilationsanfällen und dem Hinterfragen sämtlicher Lebensentscheide geprägt sind, die schlussendliche Durchführung des Kurses, die stets etwas unerwartete Bereitschaft der Teilnehmer*innen, sich in den Ateliers des allmählich erstillenden Kleegebäudes ganz auf die Frage nach eigenen Struktur- und Ordnungsvorstellungen einzulassen, die inspirierende Ernsthaftigkeit des vertieften parallelen Schaffens, während es rund um uns dunkler wird, dieser eine Punkt, an dem ich mich bewusst und durch mein künstlerisches Ventil in Kommunikation begebe, er fehlt. Wenn ich davon ausgehe, dass genau das für nicht wenige Künstler*innen essentiell ist, wird klar welch einschneidende Veränderungen das letzte Jahr mit sich brachte. Umso schöner, dass das Zentrum Paul Klee sich aktiv um den Austausch mit Berner*innen bemüht.
Dass ich mich in einer glücklichen Lage befinde, liegt nicht zuletzt auch daran, dass ich mitten im Berner Naherholungsgebiet wohne, die Aare in Sichtweite, den Wald im Rücken. Hier finden meine meisten nicht digitalen Begegnungen statt, hauptsächlich mit meiner Familie, ab und zu mal mit Freunden am Feuer. Was diesen Ort auszeichnet? Er ist zuhause.
Fabienne Sieger, März 2021
Weiter zu Simon Stähli
Ich schicke euch zu Simon Stähli, der vis-à-vis von mir wohnt, änet der Aare, quasi. Er steht für mich für Begegnungen im Alltag, weil er ebendiese in einer aktuellen, nicht abgeschlossenen Serie fotografisch festhält.