Begegnung im Quartier – paul@hostetElfenau
Unsere heutige Begegnung im Quartier führt mich in die Elfenau. Genau genommen in die alte Hostet des Landguts Elfenau, wo sich eine Gruppe aus dem Quartier seit zwei Jahren dem Experiment Permakultur im städtischen Raum widmet.
Schon von Weitem sehe ich eine Gruppe Leute Laub rechen. Ich müsse mir die Vegetation halt vorstellen, denn viel zu sehen sei jetzt natürlich nicht mehr, meint Ueli Scheuermeier, Initiator des Vorhabens. Wenn auch keine Kartoffel- und Tomatenstauden oder Bohnen mehr zu sehen sind, so ist doch viel los. Während der eineinhalb Stunden, die ich da bin, kommen immer mehr Leute mit Laubrechen dazu. Eine junge Frau bringt einen alten Salbei und Johannisbeerstauden, die sie vor einer Gartenneugestaltung gerettet hat. Insgesamt umfasst die Gruppe etwa 60 Personen. Die meisten von ihnen wohnen im Umkreis eines Kilometers um die Hostet, kannten sich vor ihrem Engagement jedoch kaum. Es verblüffe ihn immer wieder aufs Neue, wie viele Leute die Initiative in knapp zwei Jahren zusammengebracht habe. Ueli hat viele Nachbarinnen und Nachbarn kennengelernt, die seit Jahren keine 500m von ihm entfernt wohnen. Erstaunlich dabei ist vor allem, dass viele dieser Leute zu Hause selber grosse Gärten haben.
Mir wird schnell klar – es geht hier um mehr als Gärtnern im öffentlichen Raum. Ein Aspekt sei sicherlich der soziale: Die Hostet ist ein Treffpunkt für Quartierbewohner*innen, die gerne etwas bewirken und zusammenarbeiten. Ein weiterer das Experiment als Ganzes, denn als solches versteht sich die Gruppe. Ziel ist es, den Streifen neben den Obstbäumen zu einem Permakulturgarten umzufunktionieren. Zudem kümmern sie sich um die 24 Apfelbäume. «An den Bäumen haben wir grosse Freude. Die ältesten sind über 80 Jahre alt, das heisst, sie sind für die Biodiversität sehr wertvoll, da es sich um alte Sorten wie Bohnäpfel, Gravensteiner, Sauergrauech handelt.» Die 1.5t Äpfel von diesem Herbst hätten sie zu 880l Süssmost verarbeitet.
Sukzessive erprobt die Gruppe nun die Möglichkeiten, auf dem Stück Land, welches ihnen durch die Stadt Bern und den Pächter zur Verfügung gestellt wird, Pflanzen heranzuziehen, die Früchte abwerfen, ohne dass der Boden dafür umgepflügt oder -gestochen werden muss. Als Beispiel zeigt mir Ueli den sogenannten «Bohnenschlitz», der sich wie eine Schlange den Obstbäumen entlang zieht. Man habe mit dem Spaten lediglich eine Kerbe in den Boden gestochen, sie auf beide Seiten umgeklappt, vorgekeimte Bohnen eingepflanzt und diese mit Erde von Maulwurfhügeln zugedeckt. Massenhaft Bohnen hätten sie dieses Jahr gehabt, man werde sehen, wie es nächstes Jahr sei. Dabei passiert, selbst für Ueli, der von Haus aus Agronom ist, sehr viel Unerwartetes. So hat jemand letzten Sommer Tomatenstauden gepflanzt, ohne Schutz vor Regen, aber mit viel Platz zwischen den Pflanzen. Zu Uelis Überraschung hat’s funktioniert. Es sei einer seiner Grundsätze, den Fachmann in diesem Vorhaben zu Hause zu lassen. Es ist ihm wichtig, die Leute gewähren zu lassen, denn das Ausprobieren ist die Essenz des Projekts. Die Erkenntnisse sollen den Bewohner*innen für ihre Privatgärten dienen. Dabei denken sie nicht an hochintensive Gemüsegärten, sondern eben an Permakultur, bei der unter dem Apfelbaum Johannisbeeren und darunter vielleicht Bärlauch oder Giersch wächst.
«Aus Permakultursicht sollen möglichst viele Dinge lokal organisiert werden. Dafür braucht es Quartierzusammenhalt. Ich muss nicht jeden kennen, aber ich muss wissen, wen ich angehen beziehungsweise wer was beisteuern kann.»
Ueli Scheuermeier
Mit Johannisbeeren hat das Ganze seinen Anfang genommen. «D Meertrübeler» – einige Quartierbewohner*innen, deren Idee es war, die grosszügigen Gartenflächen im Quartier und insbesondere den Raum unter den Bäumen zu nutzen – wollten im Rahmen einer Kampagne Johannisbeersträucher unter Bäumen in Privatgärten pflanzen. Als Gartenbesitzerin würde ich ein Kilo Früchte erhalten, der Rest dürfte durch das Quartier geerntet werden. Sie gaben die Idee bei der Aktion «Mach Bern zu deinem Garten» von Stadtgrün Bern ein, was den Weg ebnete für das heutige Projekt Hostet. Bewilligt ist es von der Stadt vorerst bis Ende 2022. Mit ihrem Engagement leisten die Quartierbewohner*innen auf diese Weise auch einen Beitrag zur Neuplanung des Elfenauareals. Ziel ist es, die Hostet langfristig aufzuwerten, vor allem auch mit Beeren.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die ganzheitliche Philosophie der Permakultur, und das nicht nur in Bezug auf die Bepflanzung. Ich staune nicht schlecht, als mir Ueli erklärt, dass zur fairen Abgeltung der geleisteten Arbeitsstunden und Verteilung der Ernte ein eigens für das Projekt konzipiertes Gutscheinsystem eingeführt wurde. Geleistete Arbeitseinsätze in der Hostet werden in sogenannten PEKUs gutgeschrieben. Wird Kürbis oder Most bezogen, meldet man per SMS die Menge und der entsprechende Wert wird in PEKU vom Konto abgezogen. Bis jetzt funktioniere das System gut, meint Ueli, aber man sei laufend daran, es zu verbessern.
Auch auf meine Frage nach der Funktion der Hostet als Quartiertreffpunkt zieht Ueli die Permakultur bei. Quartiertreffpunkte sind für ihn sehr wichtig. «Aus Permakultursicht sollen möglichst viele Dinge lokal organisiert werden. Dafür braucht es Quartierzusammenhalt. Ich muss nicht jeden kennen, aber ich muss wissen, wen ich angehen beziehungsweise wer was beisteuern kann.» Die Hostet sei kein Ort für Parties – dafür gehen sie ins Parkkaffee Elfenau –, aber es ist ein Ort, der Menschen generationenübergreifend zusammenbringt. Die Hostet hat einen integrativen Charakter. Das ist für Ueli ein wichtiger Aspekt einer Gemeinschaft und daher auch eines Treffpunkts.
Er findet es sympathisch, dass das Zentrum Paul Klee den Kontakt und Austausch mit dem Quartier sucht. Selber zählt er sich nicht zu den regelmässigen Besuchern. Vor allem die Architektur und die Einbettung des Gebäudes ins Quartier findet er aber sehr spannend. Dass ein Austausch stattfinde sei gut, auch wenn dies nicht dem Hauptmandat des Zentrums entspreche. Der Idee des Experiments paul&ich kann er viel abgewinnen und besonders hellhörig wird er, als ich ihm von unserem Gemeinschaftsgartenprojekt im Fruchtland erzähle. In seinen Augen bietet es die Möglichkeit, schrittweise Quartier und Natur zusammenzubringen. Spontan liefert er einige interessante Ideen und Ansätze, die ich in die nächste Projektgruppensitzung einbringen werde. So befruchten sich verschiedene Quartierinitiativen gegenseitig – auch eine Form der Permakultur, wenn ich das richtig verstanden habe.
Bilder: Hostet Elfenau
Wie kann ich mich engagieren
Die Hostet Elfenau organisiert sich via WhatsApp Gruppe. Wer mitwirken möchte, kann über folgenden Link der Gruppe beitreten: https://chat.whatsapp.com/GL1x4V5KPAM1rKvXmGe60x
Weiter zum Spielplatz
Als nächstes schickt uns die Hostet Elfenau zum Spielplatzverein, denn eigentlich seien doch auch Spielplätze Quartiertreffpunkte. Stimmt, so hatte ich mir das noch gar nicht überlegt.
Philipp
Wer mitwirken möchte kann über diesen Linke der WhatsApp Gruppe beitreten und sich weiter informieren https://chat.whatsapp.com/GL1x4V5KPAM1rKvXmGe60x
Eva Grädel
Vielen Dank für den Hinweis, Philipp. Ich nehme den Link auch noch in den Beitrag auf. Herzlich, eva