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Begegnung im Fruchtland – paul&ella

Menschenleer ist das Fruchtland, als ich Ella auf dessen Anhöhe antreffe. Kein Wunder bei diesem hochnebelverhangenen Höhepunkt des Tages, der nicht selten Hoffnung für den Rest desselben gibt: Mittagspause.
Diese ist für Ella aber gerade kein Thema: Die Kunsthistorikerin aus München ist zu Besuch bei einer Freundin in Bern. Jene hat ihr auch den Gang zum Zentrum Paul Klee empfohlen. Sie kam bei ihrem Hintergrund nicht umhin, das Haus zu besuchen. Dazu macht sie zuerst einen Spaziergang und wechselt danach in die Ausstellung. „Kunst findet für mich innen und aussen statt.“
Ella sei gerade daran ihre Doktorarbeit fertigzustellen, die sich mit zeitgenössischer Darstellung von Identität beschäftigt. Sie schaue sich dabei auch an, wie zersplittert unsere Identität eigentlich sei. „Das ist aber kein Problem; es ist ganz normal viele verschiedene Persönlichkeitsfacetten zu haben.“

“Diese Tür öffnet er einem und das ist sehr schön.”

Die Kunst habe auf sie persönlich eine entspannende Wirkung. „Ich nehme mir eine Hand voll Bilder vor, lasse mich von ihnen aufsaugen und… gehe danach anders wieder raus.“ Das erzeuge aber auch bewusste Selbstreflexion, z.B. wie man selbst zu dem behandelten Thema stehe. „Es macht etwas mit mir.“
Dies treffe für sie auch bei Paul Klee zu: Obwohl sein Werk bei Ella schon in der Schule thematisiert wurde, habe sie dieses als Erwachsene noch einmal komplett anders entdeckt. Die erzeugten Gefühle und die Grundeinstellung, die Welt ganz neu zu denken, seien dabei wichtige Aspekte. „Es könnte alles anders sein und warum kann es nicht auch so sein? Warum kann nicht auch dein Leben komplett anders sein?“


Das Gespräch mit Ella hat im November 2019 stattgefunden.

Ich bin Zivildienstleistender im Zentrum Paul Klee. Dieser Einsatz ist in zweierlei Weise ein Höhepunkt: Neben der Tatsache, dass es der Letzte sein wird, habe ich unter anderem durch meinen Hintergrund in Kommunikationswissenschaft und Erfahrung im Journalismus, die Möglichkeit aktiv bei paul&ich mitzuwirken. Ich war sehr überrascht von der Menge und der grossen Vielfalt an Geschichten und Menschen, denen ich im Rahmen dieser Beteiligung begegnet bin. Ich würde mich dadurch am Liebsten von jetzt an neben Menschen auf eine Bank setzen und fragen, was sie gerade denken. Um Geschichten zu hören und sie teilen zu können. Persönliche Geschichten existieren nur solange wir uns erinnern. Sie können so aber nicht leben oder handeln. Geschichten fangen erst an zu leben und zu handeln, wenn sie geteilt werden: Sie machen uns glücklich oder traurig, ihre Bedeutung wird durch die Empfänger*innen kommentiert und erweitert oder regen diese an, über Dinge des Lebens anders nachzudenken. Wie die Kunst auch. Es muss dabei keine tolle, bedeutungsvolle Geschichte sein. Es geht darum, dass durch das Teilen, die Geschichte solange am Leben erhalten wird, bis sie Jemanden findet, der sie als toll empfindet und dadurch zu einer bedeutungsvollen Geschichte macht. Das ist der oft übersehene Schatz von Beteiligung und Interaktion: Die Erzeugung von Emotion, Bedeutung und Leben.

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