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paul&renato – Begegnung mit unserer Kunst-Community

Woran arbeitest du gerade? Womit beschäftigst du dich?

Einerseits arbeite ich an einem hochgeheimen Videoprojekt, über das ich noch nichts verraten darf (ist aber vielleicht nur eine Ausrede, um wahnsinnig wichtig rüberzukommen), andererseits an einem Text über Revolution, bei dem ich aber nicht genau weiss, wo und wann er erscheinen wird und ob ich dafür bezahlt werde – was für meine Berufsgattung ja alles andere als revolutionär ist. Ausserdem versuche ich zurzeit meine Freundin von der Idee zu überzeugen, mir einen Buggy zuzulegen, um darin unsere mittlerweile bisschen alten Hündin spazierenjoggen zu gehen (bisher mit überschaubarem Erfolg).

Welchen Stellenwert haben Begegnungen für dich in deiner Arbeit/ deinem künstlerischen Schaffen?

Eigentlich einen sehr grossen, weil ich mir meine Ideen auch hole, indem ich Menschen beobachte. Das klingt natürlich ein bisschen, als wär ich ein creepy Grüsel. Jetzt in diesem Moment könnte ich vor Eurem Küchenfenster stehen aus «beruflichen Gründen»! Muss ich aber gar nicht. Schliesslich haben mittlerweile alle schon per Zoom, Instagram und Tiktok das Innerste ihrer Wohnungen und Seelen freigelegt.

Abgesehen davon bringt mir der Austausch mit Familie und Freund*innen sehr viel. Weil sie einen auf neue Ideen bringen und auch darauf hinweisen, dass die, die man schon hat, furchtbar sind. Also die Ideen. Nicht die Freund*innen. (Wobei, manchmal auch.)

«Begegnungen haben für mich einen hohen Stellenwert, weil ich mir meine Ideen hole, indem ich Menschen beobachte. Das klingt natürlich ein bisschen, als wär ich ein creepy Grüsel. Jetzt in diesem Moment könnte ich vor Eurem Küchenfenster stehen aus «beruflichen Gründen»!»

Was hat sich an deiner Arbeit durch Corona verändert? Gibt es Begegnungen, die dir fehlen?

Ich muss zu meiner Schande sagen, dass, weil ich zu viel gearbeitet habe, mein Sozialleben schon vor Corona verhältnismässig bescheiden war (und das ist freundlich ausgedrückt). Ich würde sogar meinen, dass ich mir auf Grund der Situation erst Gedanken über mein spärliches Privatleben und bescheidenen Austausch mit Freund*innen gemacht und beides ein wenig verbessert habe. Eine schöne Entwicklung war: Mit meinen Eltern, zu denen ich schon immer ein tolles Verhältnis hatte, telefoniere ich jetzt etwa zwei Mal pro Woche. Und an diesen Standard haben sie sich mittlerweile auch gewöhnt, aus der Geschichte komm ich also nicht mehr raus.

Eine Begegnung, die mir naturgemäss auch sehr fehlt, ist die mit dem Live-Publikum, klar. Diese aufgestaute Energie kriegt jetzt einfach meine Freundin ab, was nicht nur Vorteile hat. Man kann sagen: Sie hat einige Begegnungen mit mir, die ihr nicht fehlen.

Gibt es Orte in deiner Umgebung, die du als Begegnungsort nutzt? Was zeichnet diesen Ort aus?

Nicht aktiv, aber mir ist aufgefallen, dass ich mittlerweile ein bisschen mehr über den Zaun hinweg mit meinen Nachbar*innen rede. Wie so ein richtiger Erwachsener. Ich werte das als einen Fortschritt. Mit einer Nachbarin gehe ich mittlerweile sogar joggen, da überlasse ich das Reden aber grosszügigerweise ihr.

Was hältst du davon, dass das Zentrum Paul Klee den Austausch mit den Berner:innen sucht?

Das finde ich eine tolle Idee! Erstens, weil gerade ich als Workaholic weiss, dass die zwischenmenschliche Beziehung ein zartes Pflänzchen ist, das man hegen und pflegen muss. Und zweitens, weil das Zentrum Paul Klee mich damit offensichtlich als einen Berner liest. Mein Ziel ist erreicht, ich kann die Selbsthilfegruppe für Anonyme Ostschweizer*innen nun endgültig verlassen. Vielen Dank!

Renato Kaiser, März 2021

www.renatokaiser.ch


Weiter zur Nachbarin

Wir wollen eine Person aus Bern, vielleicht aus deinem Quartier treffen, die für dich für Begegnungen im Alltag steht. Zu wem schickst du uns?

Natürlich zu meiner Nachbarin. Wenn ich schon endlich einen Sozialkontakt gefunden habe, dann muss ich damit angeben! Aber Obacht, es könnte sein, dass Ihr das Interview beim Joggen, beim Schwimmen, beim Velo fahren oder direkt bei einem Triathlon machen müsst – sie hat sehr viel Energie und Ausdauer.

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