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paul&tomasz – Begegnung mit unserer Kunst-Community

Der Begriff «Arbeiten» hat sich in der jetzigen Zeit irgendwie verändert. Allgemein, aber auch konkret bei mir. Zuerst einmal schätze ich mich sehr glücklich, dass ich arbeiten darf und noch dazu real, nicht online! Ich sehe meine Studenten an der Hochschule der Künste nach dem geplanten Stundenplan. Ich erachte es als grosses Glück, es ist ein direkter Kontakt mit einem Menschen und dazu noch ein Kontakt mit der real gespielten Musik, also eine Begegnung und ein Austausch gleichzeitig. Meine Arbeit lief immer mehrspurig: Unterricht, Konzerte, Meisterkurse, Vorträge. Jetzt, mit abgesagten oder auf Weiteres verschobenen Konzerten und Kursen, ist es einspurig geworden, vorläufig gibt es nur das Unterrichten. Es hat dadurch einen anderen Stellewert eingenommen. Es ist wichtiger, spezieller geworden.

Und was mich beschäftigt? Immer die Musik! Aber am meistens beschäftigt mich die Situation, die Perspektiven der jungen, angehenden Künstler, welche ich an der HKB ausbilde. Vor einem Jahr hat sich ziemlich alles für sie verändert. Die Wettbewerbe wurden abgesagt oder als Online Veranstaltungen durchgeführt, diverse Konzerte oder Auftrittsgelegenheiten abgesagt. Ein Teil ihrer Motivation ist also von einem auf den anderen Tag verschwunden. Und wie das Konzertleben morgen und übermorgen aussehen wird, weiss heute noch niemand. Viele Studenten hat es schwer getroffen, sie fühlen sich irgendwie verloren. Da ist meine Rolle auch als Lehrer um einige Dimensionen bedeutender geworden. Mentor, Unterstützer, Ratgeber, Förderer – es ist auch eine Herausforderung für mich!

Begegnungen spielen eine kapitale Rolle in meinem Schaffen, sowohl als ausführender wie auch als lehrender Künstler. Künstlerische Kreativität/Inspiration schöpft auch aus den Begegnungen mit Menschen. Eine Erscheinung, ein Blick, ein Gespräch können in mir weiterwirken um dann – umgewandelt – in Form einer Idee, eines Interpretationsansatzes für mich oder aber auch für einen Studenten weiterzuleben.

«Begegnung bedeutet für mich Austausch, ein Geben und Empfangen, Intensität, irrationale Kommunikation, Emotion, Berührung der Seele.»

Vieles hat sich verändert! Wie ich schon erwähnt habe: Konzerte, Kurse, meine Mitwirkung als Juror bei diversen Wettbewerben wurden abgesagt oder verschoben. Es fehlen mir viele Begegnungen, und zwar diverserer Art. Zuerst fehlt mir der direkte Kontakt mit dem Publikum als ausführender Künstler. Es fehlt mir aber auch genauso sehr der Kontakt mit der realen Aufführung als Zuhörer. Innerhalb der letzten 6 Monate konnte ich eine sehr interessante Erfahrung machen: Im September letzten Jahres habe ich einen Kammermusikabend mit Martha Argerich und Renaud Capuçon im Berner Casino gehört. Es war ein unvergessliches Erlebnis. Zum einen nach dem ersten Lockdown wieder in ein Konzert gehen zu dürfen, zum anderen durch die einmalige Intensität des Vortrags der beiden Künstler. Anfang Februar dieses Jahres habe ich das gleiche Duo in einem Online Konzert aus dem Festival in Gstaad gehört. Es lagen Welten zwischen den beiden Konzerten! Begegnung bedeutet für mich Austausch, ein Geben und Empfangen, Intensität, irrationale Kommunikation, Emotion, Berührung der Seele. Im Online Konzert habe ich das vermisst. Es fehlen mir auch die Begegnungen mit anderen Künstlern. Kammermusik und Lied. Ich habe mich schon auf das Streiten bei dem Proben zu Schuberts «Winterreise» gefreut…

Beruflich ist mein Ort der Begegnung im Moment die Hochschule der Künste. Auf einer Steinbank begegne ich dort an den sonnigen Tagen manchen Kollegen oder Studenten, oft bei «Take-Away» Salat und «Cafe to go»… Ich glaube die Musik, welche durch die Türe oder offene Fenster durchklingt zeichnet diesen Ort aus! Ich habe auch Begegnungen mit meinen Freunden – natürlich reduziert und den Bestimmungen der heutigen Zeit und Situation angepasst – bei mir zu Hause erlebt.

Ich finde es sehr wichtig, dass das Zentrum Paul Klee den Austausch mit den Bernerinnen und Bernern sucht. Unbedingt! Kontakt mit Kunst ist im Leben eines Menschen unabdingbar! Und die Kunst – welcher Art auch immer – lebt durch Begegnung und Berührung eines Menschen. So ist das Zentrum Paul Klee prädestiniert diese Rolle einzunehmen!

Tomasz Herbut, März 2021


Weiter an Jean-Rodolphe Fiechter

Tomasz schickt uns weiter zu Jean-Rodolphe Fiechter, ein Freund, der für ihn nicht nur persönlich für Begegnung im Alltag steht, sondern der auch Begegnungen und für die Menschen in seinem Umfeld einsetzt.

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