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pauls Werkzeug – Anfang und Neulancierung

Idee

Mit paul & ich wendet sich das Zentrum Paul Klee Bern an seine direkte Nachbarschaft und die umliegende Region. Ziel ist es, die Institution künftig einem noch breiteren Publikum als lebendigen Ort des gesellschaftlichen Austauschs zu öffnen. Dazu sucht das Zentrum Paul Klee das Gespräch zu wichtigen Multiplikatoren sowie den Kontakt zu den Menschen aus der Nachbarschaft. In kuratierten Mitwirkungsprozessen werden deren Wünsche und Anforderungen an das international renommierte Haus erforscht. paul&ich versteht sich als exemplarischer Versuch, die Identität einer bestehenden Kulturinstitution weiterzuentwickeln. Die Aktivitäten und Prozesserfahrungen werden dokumentiert; Erfolgserlebnisse wie auch gescheiterte Versuche transparent gemacht. Zum Projektende soll eine Toolbox der erprobten Methoden und Instrumente vorliegen, die ähnliche institutionelle Weiterentwicklungen von Kunsthäusern unterstützt.

Ziel

  • Das Zentrum Paul Klee lokal und regional stärker verankern
  • Verinnerlichung einer partnerschaftlichen Haltung gegenüber dem Publikum
  • Prozess- und Methodenerfahrung sammeln und teilen
  • Partizipation, Kooperation & Austausch als gelebte Werte der Institution

Beteiligte

  • Quartierbewohner:innen
  • Quartiervereine
  • Mitarbeiter:innen Zentrum Paul Klee
  • Stiftung Zentrum Paul Klee
  • Projektbeirat
  • Migros-Pionierfonds
  • Hochschule Luzern

Zeithorizont

2017 bis 2020, laufend

Projektgeschichte paul&ich 2017 bis 2020

Seinen Anfang nahm paul&ich 2017, als das Zentrum Paul Klee vom Förderfonds Migros-Pionierfonds (ehemals Engagement Migros) angefragt und ausgewählt wurde, ein zukunftsweisendes Projekt mit Modellcharakter zu entwickeln, das die Öffnung und stetige Weiterentwicklung von Kulturinstitutionen unter Beweis stellt. Das Scouting durch Engagement Migros erfolgte kurz nach der Zusammenführung des Zentrum Paul Klee und des Kunstmuseum Bern unter einer Dachstiftung. Das Projekt kam dem Wunsch unserer neuen Leitung entgegen, das Mehrspartenhaus einem noch breiteren Publikum als lebendigen Ort des gesellschaftlichen Austauschs zu öffnen, es in seiner Umgebung zu verankern und in Kontakt zu treten mit seiner direkten Nachbarschaft. Gemeinsam mit Engagement Migros wurde im ersten Quartal 2017 eine entsprechende Fragestellung formuliert. Im Austausch mit der lokalen Bevölkerung wollte man die Potenziale der Ortsspezifik befragen und das Zentrum Paul Klee aus diesem Prozess heraus zu einem kulturellen Treff- und Kommunikationsort für eine breitere, diversere Bevölkerung aus der direkten Umgebung und der Region machen. Weiter wollte man neue Angebote für ein breit durchmischtes Publikum schaffen. Das Projekt paul&ich sollte modellhaft zeigen, wie sich ein bestehendes Museum weiter entwickeln kann. Es wollte ausloten, wie neue Formen der Kooperation zwischen Kulturhäusern und Publika gesucht und gefunden werden können, um Beteiligungsmöglichkeiten der Besucher:innen auf Augenhöhe zu ermöglichen. In modellhaften und begleiteten Prozessen suchte das ZPK aktiv den Kontakt zu den umliegenden Quartieren und zu den Bewohner:innen von Bern. Die im Projekt verinnerlichte partnerschaftliche Haltung gegenüber der Individualität, Wichtigkeit und Autonomie des Publikums, sollte sich mittelfristig in allen Bereichen der Institution abbilden. Zur Umsetzung dieses Ziels entschieden sich Projektleitung, Geschäftsleitung und Migros-Pionierfonds für einen prozessorientierten, partizipativen und auf Kooperationen ausgerichteten Ansatz. Das Projekt paul&ich verpflichtete sich von Anfang an der Beteiligung und einem Austausch auf Augenhöhe. Verantwortlich für das Projekt innerhalb der Institution war der kaufmännische Direktor. Geleitet wurde paul&ich zu diesem Zeitpunkt durch eine externe Projektleiterin, welche das Projekt auf dem Weg zur Umsetzung begleiten sollte. Zusätzlich war eine unterstützende Administrationsstelle geplant. Die Umsetzung der Projekte sollte durch das Zentrum Paul Klee erfolgen. Getragen wurde das Projekt durch eine interne Projektgruppe, bestehend aus Mitarbeitenden unterschiedlicher Abteilungen von der Kunstvermittlung bis zum Hausdienst. Diesen Ansatz haben die Projektverantwortlichen bewusst gewählt um eine langfristige Verankerung der neuen Haltung zu garantieren. Ein Beirat mit Vertreter:innen aus Stiftungsrat, Kulturpolitik, Soziokultur und anderer Museen wurde zur Beratung und Unterstützung des Projekts einberufen. Die Anfangsphase des Projekts wurde sorgfältig vorbereitet und geplant. Dem Charakter des Projekts entsprechend, stand am Anfang der Kontakt zum Quartier, aber auch zu den Mitarbeitenden. Man wollte die verschiedenen Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen im Haus und in unserer direkten Umgebung in Bezug auf das Zentrum Paul Klee und das Projekt erfragen. Ausgehend von Gesprächen mit Mitarbeitenden des Zentrum Paul Klee wurde in enger Begleitung durch die Hochschule Luzern Soziale Arbeit, eine systematische Befragung verschiedener Akteur:innen aus dem Quartier vorbereitet, welche durch Mitarbeitende des Zentrum Paul Klee durchgeführt wurde. Die Resultate dieser Gespräche mit Anwohner:innen, Lokalpolitiker:innen, Gewerbetreibenden, Quartierarbeitenden und Pfarrpersonen wurden durch die Hochschule Luzern ausgewertet und flossen in eine umfassende sozialräumliche Quartieranalyse ein. Diese wurde im Frühling 2018 abgeschlossen. Die Analyse lieferte dem Projektteam wertvolle soziodemografische und –kulturelle Daten zum Quartier und der Position des Zentrum Paul Klee in diesem Umfeld, welche eine zentrale Grundlage für die weitere Planung des Projekts darstellte. Aus dem Interview- und Analyseprozess gingen aber auch strategische Fragen hervor: Nach der Beziehungsqualität für die das Projekt steht, wie diese Beziehungen gepflegt werden wollen oder auch wo das Projekt stattfinden sollte? Diese strategischen Fragen waren mitverantwortlich für die wegweisende Erkenntnis, dass ein Projekt von dieser Reichweite stärker vor Ort, in der Institution verankert sein sollte. Trotz hoher Akzeptanz unter den Mitarbeitenden des Zentrum Paul Klee, kam das Projekt in nur langsam voran. Intern waren nicht genügend Ressourcen vorhanden für dieses ambitionierte Querschnittprojekt über verschiedene Bereiche. Im Gegenzug waren die Steuermöglichkeiten durch die externe Projektleiterin in Bezug auf strategische Entscheide oder interne Abläufe aufgrund des geringen Pensums sehr eingeschränkt. Zudem äusserte eine Vertreterin des Stiftungsrates, die auch Einsitz im Beirat hatte, grössere Bedenken gegenüber dem Projekt, das aus ihrer Sicht nicht der Positionierung des Zentrum Paul Klee als Kulturinstitution von internationaler Bedeutung entsprach. Als Reaktion auf diese verschiedenen Faktoren entschieden die Projektverantwortlichen im Frühling 2018, das Projekt zu pausieren und die offenen Fragen zu klären. Gemeinsam mit dem Innovationspartner Migros-Pionierfonds, kam man zum Schluss, dass für die weitere Projektumsetzung eine interne Projektleitung in Form eines Community Building Coordinators eingesetzt werden sollte. Nach rund einem Jahr Projektdauer stand also fest, dass der Projektverlauf eine Neulancierung fordert. Durch diesen Schritt erfuhr das Projekt eine weitere Schärfung in seiner Zielsetzung und eine stärkere Verankerung in der Institution. Es konnten nicht alle Bedenken ausgeräumt werden, sie waren jedoch benannt und adressiert, sodass das Projekt mit grosser Unterstützung innerhalb der Institution weiter geführt werden konnte. Mit der Besetzung der Projektleitungsstelle Community Building Anfang 2019, wurde die Zielmatrix des Projekts, unter Einbezug der gesammelten Erfahrungen, gemeinsam mit Migros-Pionierfonds komplett überarbeitet und für eine Projektphase von drei Jahren neu ausgerichtet. Die Projektleitung sollte dabei die Rolle einer intermediären Person zwischen Quartier und Institution einnehmen und damit den Partizipationsgedanken über die verschiedenen Bereiche im Haus hinweg verankern. Im Sommer 2019 wurde paul&ich der Berner Bevölkerung gegenüber offiziell lanciert. Mit diesem Schritt der Neulancierung des Projekts wurde auch die Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern wieder aufgenommen. Im Anschluss an die sozialräumliche Quartieranalyse von 2018 wurde gemeinsam ein Folgeprozess zum Einbezug der Quartierbevölkerung erarbeitet. Abschluss dieser Initial- und Neulancierungsphase von paul&ich war die Ideenwerkstatt, die im Februar 2020 stattfand. Über 80Teilnehmer:innen nahmen die offene Einladung an, die an über 800 Haushalte in der direkten Nachbarschaft verschickt worden war. Dazu kamen Mitarbeitende aus allen Bereichen des Zentrum Paul Klee, die freiwillig an der Veranstaltung teilnahmen. Über drei Stunden wurden im Rahmen der, durch die Spurgruppe, vorgegebenen Handlungsfelder, Ideen gesammelt, wie sich das Zentrum Paul Klee in Zukunft weiterentwickeln könnte. Diese lieferten die Grundlage dafür was in den folgenden drei Jahren umgesetzt werden sollten. Die Ideenwerkstatt lieferte vor allem aber den Grundstein für den Austausch und die Vernetzung zwischen dem Zentrum Paul Klee und seinen Nachbar:innen, die bis heute anhalten.

Die Fortsetzungen dieses Prozesses findet ihr im Bilderclub, Gemeinschaftsgarten und Laternenfest.

Erkenntnisse/ Learnings

Ein Museum betrifft seine Umgebung

Anwohner:innen sind interessiert mitzuwirken und –gestalten. Das hat die Ideenwerkstatt mit über 80 Teilnehmer:innen gezeigt.

Ein Projekt wie paul&ich fordert Zeit

Der Entscheid, das Projekt zu pausieren und, nach der Klärung interner Fragen, neu zu lancieren war eine wegweisende Chance für den weiteren Verlauf von paul&ich.

Mit Widerständen muss man rechnen

Skespis und Bedenken gehören dazu, selbst wenn nicht alle Widerstände aufgelöst werden können, so ist es wichtig, sie an zu erkennen und zu thematisieren.

Im engen Dialog mit Förderpartner:innen

Der enge Dialog mit unserem Innovationspartner Engagement Migros bzw. Migros-Pionierfonds war zentrales Element des Prozesses und hat massgeblich zum Gelingen des Projekts beigetragen.

Sozialräumliche Projekte wie paul&ich betreffen die Corporate Identity einer Kulturinstitution

Es muss mit den strategischen Zielsetzungen der Institution in Einklang gebracht werden. Wenn sich eine Institution in einem betrieblichen Wandel befindet, wie dies beim Zentrum Paul Klee der Fall war, müssen diese Ziele oft erst einmal erfragt werden.

Sozialräumliche Projekte brauchen Zeit

Partizipative Prozesse wollen sehr gut vorbereitet sein. Ansprüche an sichtbare Projektfortschritte müssen sich diesem Umstand anpassen.

Sozialräumliche Projekte wie paul&ich brauchen interne Ressourcen

Sie sind nur so stark wie sie auch aus der Institution getragen werden.

Sozialräumliche Projekte wie paul&ich funktionieren als Prozess und nur bedingt Output-orientiert

Gerade in einem Output-orientierten Umfeld, wie der Kulturszene, muss man sich
bei der Umsetzung solcher Projekte, dieser Zielkonflikte bewusst sein.

Ein Partizipationsprojekt wie paul&ich fordert ein klares Partizipationsverständnis von Seite der Institution

Es braucht klare Rahmenbedingungen zur Reichweite, Intensität und Hintergrund der Partizipation.

Kommunizierte Absichtserklärungen wecken Erwartungen

Diese Erwartungen gilt es offen anzusprechen um allfällige Missverständnisse frühzeitig auszuräumen.

Skepsis und Bedenken gehören zu Veränderungsprozessen und müssen aktiv angesprochen werden

Es ist wichtig, diesen ernst zunehmen und den Ursachen und Motiven dafür in Gesprächen mit den Betroffenen nachzugehen. Gleichzeitig gilt es das Risiko zu vermeiden, dass Einzelpersonen das Projektvorhaben behindern oder gar verunmöglichen.


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