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Begegnung im Quartier – paul@nachbarschaft Bern

Unsere Entdeckungsreise führt mich heute zu Noëlle Altenburger von Nachbarschaft Bern, einem Angebot, das Nachbarinnen und Nachbarn miteinander vernetzt.

Nachbarschaft Bern ist kein Ort, sondern ein Angebot im Auftrag der Stadt Bern, welches Treffen zwischen Quartierbewohnerinnen und Nachbarn ermöglicht. Ich treffe Noëlle Altenburger, die zuständig ist für den Aufbau dieser Plattform im Stadtteil IV, in einem Café.

Seit Anfang Jahr wird Nachbarschaft Bern durch die Vereinigung Berner Gemeinwesenarbeit getragen und leistet klassische Nachbarschaftshilfe indem sie Tandems zwischen Quartierbewohnerinnen und Quartierbewohnern vermittelt. Mit anderen Worten: Sie bringt Menschen, die Unterstützung benötigen, und Leute aus dem Quartier, die sich freiwillig engagieren wollen, zusammen. Dies soll ab September auch im Stadtteil IV passieren. Bei der Vermittlung wird darauf geachtet, dass die Tandems nicht mehr als 15 Gehminuten von einander entfernt wohnen und ihre Tätigkeiten keine Vorkenntnisse erfordern. Während der Corona-Zeit hat Nachbarschaft Bern beispielsweise viele Einkaufstandems vermittelt. Allgemein besteht vor allem Bedarf an Gesellschaft, viele Leute wollen gemeinsam Zeit verbringen. Die Freiwilligen melden sich bei Nachbarschaft Bern weil sie sich engagieren wollen. Die Leute, die Hilfe benötigen, kommen oft via Quartierarbeit oder Kirchgemeinde zu Nachbarschaft Bern.

Durch die Tandems entstehen ganz viele kleine Treffpunkte in der Nachbarschaft. Es sind keine Treffpunkte wie der Verein am See oder der Träffer. Das Angebot schafft vielmehr Begegnungen für Leute im Quartier, die nicht mehr mobil sind und bietet ihnen die Möglichkeit, durch das Engagement der Freiwilligen am Quartierleben teilzuhaben. Da treffen sich beispielsweise zwei Männer – einer pensioniert und gesundheitlich angeschlagen, einer jung, mit kleinem Kind – regelmässig, um gemeinsam spazieren zu gehen. Das Thema Fussball hat die beiden von Anfang an verbunden und seither entdecken sie auf ihren Streifzügen durch das Quartier ihre vertraute Nachbarschaft neu. Dabei erzählt der ältere Mann wie es früher war, was sich verändert hat, seitdem er hier wohnt. Sein Tandempartner erzählt hingegen von heute, vom Quartierleben, an dem der Herr altershalber nur noch  beschränkt teilnehmen kann. Immer mit dabei haben sie den Kinderwagen. So kam es auch, dass der Ältere dank diesem Kinderwagen nach 20 Jahren endlich den Lift zum Coop Restaurant gefunden hat. Er müsse mit dem Baby sowieso spazieren gehen, da könne er doch genauso gut jemanden begleiten, hat sich der Freiwillige gedacht, als er sich bei Nachbarschaft Bern meldete. Den älteren Mann habe sie über die Quartierarbeit kennen gelernt, erinnert sich Noëlle. Es freut sie, dass sie die beiden zusammenbringen konnte. Es sei immer schön zu sehen, wenn Tandems funktionieren und eine eigene Dynamik entwickeln. Es gebe sogar so glückliche Fälle, da sei Nachbarschaft Bern im Hintergrund gar nicht mehr nötig. Wenn sich aus dem Tandem eine Freundschaft entwickelt, braucht es Noëlle und ihre Kolleg*innen nicht mehr.

Für Noëlle schaffen Treffpunkte in einem Quartier Lebendigkeit und geben Leuten eine Gelegenheit, zu partizipieren. Dieses Zusammenkommen ermöglicht wiederum einen kreativen Prozess. Das Treffen anderer Quartierbewohner kann auch einen Bezug schaffen, eine Zugehörigkeit.

«Die Solidarität ist da, manchmal braucht es einfach etwas Unterstützung damit sie gelebt werden kann.»

Am Stadtteil IV fällt Noëlle die Heterogenität auf. Die zahlreichen Quartiere, die der Stadtteil umfasst, sind sehr unterschiedlich, auch von den Leuten her, was es sehr spannend mache. Interessant wird es sicherlich auch, zu sehen, wie sich die Tandems im Stadtteil IV gestalten werden, quartierübergreifend oder -intern. Eine grosse Unterstützung beim Aufbau des Netzwerks in diesem Teil der Stadt sind die Quartiervereine und Fachorganisationen. Diese nehmen, so Noëlle, eine sehr wichtige Rolle in der Vermittlung von Menschen ein. Sie kennen die Leute am besten und wissen, wer Bedarf an Unterstützung hat. Noëlles Wunsch ist «dass die Nachbarschaft gestärkt wird, indem wir Leute zu Tandems zusammenbringen, die sich sonst nicht getroffen hätten. Diese Vision ist während der Corona-Krise teilweise bereits in Erfüllung gegangen. Die Solidarität ist da, manchmal braucht es einfach etwas Unterstützung, damit sie gelebt werden kann. Hoffentlich geht es so weiter.»

Ich frage auch Noëlle nach ihrer Meinung dazu, dass das Zentrum Paul Klee den Austausch mit der Bevölkerung sucht. Es sei eine gute Sache, dass das Zentrum Paul Klee auf die Bevölkerung zugehe um herauszufinden, was deren Bedürfnisse seien, findet sie. Seit längerer Zeit beobachte sie, dass sich Museen international vermehrt gegenüber der Bevölkerung öffnen, und es sei schön, dass dieser Gedanke auch in Bern angekommen sei. Im Endeffekt schaffe auch paul&ich wieder Treffpunkte, wo sich Leute begegnen können, die sich sonst nicht begegnen würden. So habe ich mir das noch gar nie überlegt, aber im Grunde hat sie recht. Vielleicht muss ich meine Auffassung von «Treffpunkt» überdenken und ausweiten. Beim Treffpunkt geht es nicht nur um den Ort, sondern eben auch um das Treffen selbst, das ortsunabhängig stattfinden kann. Die Tandems von Nachbarschaft Bern sind das beste Beispiel dafür.

Im Stadtteil IV ist Nachbarschaft Bern noch in der Aufbauphase. Am 1. September wird das Projekt im Kirchgemeindehaus Bruder Klaus lanciert. Die Veranstaltung ist öffentlich und richtet sich an alle Interessierten. Weitere Informationen unter: https://www.nachbarschaft-bern.ch/


Weiter zur Quartierarbeit Stadtteil IV

Noëlle schickt uns weiter zu Reto Bärtsch und Jana Obermeyer von der Quartierarbeit Stadtteil IV. Die beiden kennen den Stadtteil IV in- und auswendig. Uns interessiert, was in ihren Augen einen Treffpunkt im Quartier ausmacht und weshalb diese so wichtig sind?

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