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paul&lichtspiel – Begegnung in Bern

Unsere heutige Begegnung führt uns zur Kinemathek Lichtspiel. Immerhin virtuell begebe ich mich auf den Weg in die Räumlichkeiten des Vereins im Berner Mattequartier zu Brigitte Paulowitz, Sammlungsleiterin und Filmrestauratorin. Durch den Bildschirm bekomme ich nicht viel zu sehen von diesem Begegnungsort vieler filmbegeisterter Berner*innen. Immerhin, hinter Brigitte stapeln sich zahlreiche Filmdosen, was mir einen kleinen Einblick in die Lichtspielwelt gewährt.

Das Lichtspiel ist vieles: Kino, Archiv und Museum, ein Ort an dem Filme gezeigt werden aber auch kinotechnische Geräte gesammelt, aufbewahrt und für zukünftige Generationen restauriert werden. Brigitte ist zuständig für die Sammlung, die über 30‘000 Filme umfasst und wöchentlich wächst. Besonders während dem ersten Lockdown habe die Sammlung einen Wachstumsschub erlebt. In der allgemeinen Aufräumbegeisterung, welche die Anfänge der Covid-Krise bei vielen von uns ausgelöst hat, haben offenbar viele Leute Filmmaterial gefunden und ins Lichtspiel gebracht. Mich überrascht dies, aber wie mir Brigitte erklärt, liegt gerade im Bereich der Amateur- und Privatfilme einer der Sammlungsschwerpunkte des Vereins. Nun wird dieses Material von Praktikant*innen und ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern gesichtet, auf ihren Zustand hin kontrolliert und in der öffentlich zugänglichen Datenbank erfasst. Je nach Zustand und inhaltlicher Wichtigkeit des Werks, wird der Film danach möglichst schnell gesichert, das heisst auf einen neuen Träger kopiert um ihn weiterhin zugänglich zu machen. Ziel ist es, den Film im Kino zeigen zu können.

Diese Absicht zeichnet das Lichtspiel aus. Es ist eines der Archive, welches seine eigene Sammlung konstant selber nutzt. Über 40% der Sammlung wurden schon einmal gezeigt, was für ein Archiv dieser Art ungewöhnlich ist. Um dies weiterhin gewährleisten zu können, setzt das Team in der Gestaltung des Programms gezielt auf Abwechslung. Zudem werden die Sammlungsklassiker systematisch digitalisiert solange sie noch in gutem Zustand sind, das heisst, die Abnützung durch die Maschinen noch gering ist.

Am interessantesten finde ich die generationenübergreifende Begegnung zwischen Ehrenamtlichen, Praktikant*innen und Zivildienstleistenden, die sich gemeinsam für das Lichtspiel engagieren und von den gegenseitigen Erfahrungen profitieren.

Dieser Zugang zu alten und seltenen Filmen ist nur einer der Aspekte, welche das Lichtspiel zu einem Begegnungsort machen. Das Kino bringt Filminteressierte zusammen und das in grosser Zahl. Während des Lockdowns machten gut und gerne 400 Personen Gebrauch vom wöchentlichen Streaming-Angebot. Für Brigitte ist der Charakter des Lichtspiels als Begegnungsort aber vielschichtiger. Am interessantesten findet sie das generationenübergreifende Zusammentreffen unter Ehrenamtlichen, Praktikant*innen und Zivildienstleistenden, die sich gemeinsam für das Lichtspiel engagieren und von den gegenseitigen Erfahrungen profitieren. Eine weitere wichtige Begegnungsebene ist das „Filmhaus“, in dem sich das Lichtspiel befindet. Beim hausinternen Mittagstisch trifft die Hausgemeinschaft, bestehend aus Mitarbeiter*innen des Lichtspiels und der verschiedenen, eingemieteten Produktionsfirmen zusammen. Brigitte schätzt diesen Austausch sehr, denn er schafft für sie einen Gegenwartsbezug, so dass der Umgang mit Film nicht nur historisch bleibt. Insgesamt ist das Lichtspiel ein Begegnungsort, der ein generationenübergreifendes Zusammentreffen von Filminteressierten ermöglicht. Vielfach sind die Übergänge zwischen den einzelnen Ebenen –  Team, Haus, Museum, Veranstaltungsort – fliessend. Gruppenführungen finden oft während der Arbeitszeit statt. Das sei schön, weil es zu einer Begegnung zwischen Mitarbeitenden und Besucher*innen führe, auch wenn dies für das konzentrierte Arbeiten gelegentlich eine Herausforderung sei. 

 Wohl eine der prägendsten Begegnungen rund  um das Lichtspiel war, laut Brigitte,  die Projektorenparade vom ehemaligen Standort im Steigerhubel runter ins Marzili. Vereinsmitglieder schoben die Projektoren durch die Stadt an den neuen Standort. Auf diese Weise war die Institution auf einmalige Art präsent in der Stadt und hat zu einer sehr schönen Begegnung zwischen Verein und Bevölkerung  geführt.

Nach ihrem persönlichen Lieblingsort in Bern muss Brigitte nicht lange suchen. Der liegt direkt vor der Haustür des Lichtspiels. Als begeisterte Ganzjahresschwimmerin verbringt sie viel Zeit  in und an der Aare. Das Aareufer sei dabei ein spannender Begegnungsort. Man treffe auf so viele verschiedene Menschen. Solche Orte  wünscht sie sich mehr für Bern. Orte an denen man sich unverbindlich treffen kann und kostenlos an Angeboten teilnehmen darf, würden zunehmend knapper.

Dass sich das Zentrum Paul Klee nun auch dieser Begegnung mit der Umgebung widmet findet Brigitte zeitgemäss und extrem wichtig. Dies bringe auch Herausforderungen mit sich, aber die Wichtigkeit dieses Prozesses sei unbestritten. Corona habe gezeigt, dass das Lokale und Regionale an Bedeutung gewinnt. Deshalb habe sich der Verein auch so enorm über den Vorschlag der Swing Machine für dieses Portrait gefreut. Die Unterstützung sei wirklich gross. Ich habe mich auch sehr gefreut, dass mich dieses Gespräch, immerhin virtuell, ins Lichtspiel geführt hat und eine bereits verschollen befürchtete Lust auf einen Kinobesuch geweckt hat.

Weitere Einblicke in die Schätze des Lichtspielarchivs: Lichtspiel / Kinemathek Bern (vimeo.com)


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